Die Geschichte der
Juden in Steyr
Seit dem 14. Jahrhundert lässt sich die Ansiedlung von Juden in Steyr nachweisen. Schon 1371 untersagte Herzog Albrecht III. den in Steyr wohnenden Juden den Handel mit Wein und Getreide. 1420 brach die Katastrophe über die Juden in den herzoglichen Ortschaften und Städten Österreichs ob und unter der Enns herein: In Enns und Garsten der „Hostienschändung“ beschuldigt, wurden sie verhaftet, in Wien gefangen genommen und wenn sie sich nicht taufen ließen, verbrannt, die übrigen ausgewiesen. Die Ursache für diese Judenverfolgung lag vor allem in der ständig wachsenden Geldnot Herzog Albrecht V.
Unter Joseph II erhielten die Juden 1782 durch das Toleranzpatent eine rechtliche Besserstellung, um die Juden in die bürgerliche Gesellschaft zu integrieren und für den Staat nützlich zu machen.
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts zogen Juden aus dem südböhmischen Raum nach Steyr, sie waren hauptsächlich Handel- und Gewerbetreibende.
1870 wurde der israelitische Kultusverein gegründet und nach langwierigen Auseinandersetzungen mit der Linzer Kultusgemeinde 1892 in eine eigene Kultusgemeinde umgewandelt. Seit 1873/74 besteht ein jüdischer Friedhof und es gab eine „Chewra Kadischa“, einen Krankenpflege- und Beerdigungsverein. 1894 wurde in der Bahnhofstraße 5 eine Synagoge eingerichtet. Heinrich Schön war dreißig Jahre lang Rabbiner in Steyr.
Um die Jahrhundertwende zählte man in Steyr an die 200 Juden. Schon 1882 erschien die antisemitische Zeitung „Die Judenfrage“, eine extrem antisemitische Zeitung.
Im Allgemeinen waren die Juden in der Zeit der Monarchie, wie auch in der Zwischenkriegszeit in Steyr gut integriert, sie waren in der Mehrheit Kaufleute, aber auch Handwerker und Intellektuelle.
In die Staats-Oberrealschule, die auch Hitler im Schuljahr 1904/05 besuchte, gingen immer einige jüdische Schüler. Ein jüdischer Mitschüler Hitlers war Josef Sommer, dessen Eltern in Reichraming eine Messerfabrik besaßen. Er wurde 1942 nach Polen (Izbica) deportiert und ermordet. Auch der Deutschlehrer Hitlers Dr. Nagel war Jude, konvertierte später aber zum katholischen Glauben.
Jüdische Bürger nahmen als Soldaten am 1. Weltkrieg teil und wurden auch ausgezeichnet. Während des Krieges wurden jüdische Flüchtlinge aus Osteuropa im Bezirk Steyr-Land untergebracht. In Thanstetten bei Schiedlberg gab es eine eigene Schule für die Flüchtlingskinder.
Die 1. Republik war in Österreich von einem immer gewalttätigeren und aggressiveren Antisemitismus gekennzeichnet. 1922 führte der Steyrer Alpenverein den Arierparagraphen ein. In Steyr herrschte in den dreißiger Jahren eine schlimme Notzeit. Ende 1936 waren von 22.000 Einwohnern 5.439 arbeitslos. Zeitzeugen berichten, dass vor allem jüdische Geschäftsleute wie Nathan Pollak den Menschen Kredit gewährten und sie anschreiben ließen. Dennoch kamen schon vereinzelt antisemitische Anfeindungen vor.
Nach dem „Anschluss“ im März 1938 gab es auch in Steyr Aufmärsche von Polizei, SA, SS und Paraden deutscher Truppen. Innerhalb weniger Wochen veränderte sich das Leben der Steyrer Juden schlagartig. Antisemitische Propaganda hetzte die Menschen gegen die Juden auf. Personen- und Vermögenslisten wurden wenige Wochen nach dem „Anschluss“ angelegt. Im Juli 1938 wurden die ersten Steyrer Juden verhaftet, darunter auch der Steyrer Rabbiner Chaim Nürnberger. Die „Steyrer Volksstimme“ schrieb unter dem Titel „Der Auszug Israels aus der alten Eisenstadt“ am 2.9.1938: „Es dürfte der Tag nicht mehr allzu ferne sein, an welchem alle Söhne Israels, einerlei ob getauft oder ungetauft, restlos aus unserer Stadt verschwunden sein werden…“
Am 1. Oktober 1938 löste die Gestapo die Israelitische Kultusgemeinde Steyr auf. Am 8. November 1938 wurden weitere Steyrer Juden verhaftet, Wohnungen geplündert und verwüstet. Die Synagoge blieb verschont, da sie bereits vorher arisiert worden war. Schrittweise wurden Juden durch Gesetze, Erlässe und Verordnungen zu Bürgern zweiter Klasse degradiert. Sie wurden penibel registriert, Berufsverbote und Arisierungen entzogen ihnen die Lebensgrundlage. Dabei kam es nicht selten zu antisemitischen Äußerungen, wie der Brief eines kommissarischen Verwalters des Geschäftshauses der Familie Ornstein beweist: „Ich muss mir also von diesem Judenschwein als kommissarischer Verwalter allerhand Frechheiten und Schimpf gefallen lassen.“
Schließlich konnten sich die Juden nur durch Emigration vor der Deportation retten. Einer ganzen Reihe von Steyrer Juden gelang dies nicht und sie wurden von den Nazis in Konzentrationslagern ermordet.
Margarethe Uprimny lebte damals mit ihren zwei kleinen Kindern in Wien, ihr Mann Eduard war schon vorher deportiert worden. Von dort schrieb sie befreundeten Frauen über ihr Schicksal. In ihrem letzten Brief, bevor sie mit ihren Kindern deportiert und ermordet wurde, gestand sie: „Was mit uns wird, weiß nur der liebe Gott.“ Auch andere letzte Briefe, wie von Martha Ceh, der Tochter der ehemaligen Messingfabrikbesitzer Ludwig und Jenny Sommer aus Reichraming, blieben erhalten.
In Steyr Münichholz bestand seit 1942 ein Außenlager des KZ Mauthausen, dessen Häftlinge vor allem für die Kriegsindustrie der Steyr-Daimler-Puch AG. eingesetzt wurden. Die Lebensbedingungen unterschieden sich in ihrer Unmenschlichkeit und Grausamkeit nicht von anderen Konzentrationslagern. Auch jüdische Häftlinge befanden sich darunter. Harry Freundlich, ein Jude aus Polen, der überlebte, beschrieb das tägliche Leben in diesem KZ: „Die Umstände nötigten uns, wie Tiere zu leben, aber wir versuchten unsere Würde zu bewahren. Wir wollten leben, aber wir beteten zu Gott, dass er uns von hier weghole.“ Am 5. Mai 1945 wurde dieses Lager von amerikanischen Truppen befreit.
Jüdische Zwangsarbeiter waren auch in einem Tochterbetrieb der Steyr-Werke, in Radom in Polen eingesetzt, und brutalen und grausamen Bewachern unterworfen.
Augenzeugen, Gemeinde- und Pfarrchroniken berichten vom Todesmarsch der ungarischen Juden im April 1945 durch das Enns- und Steyrtal, ein besonders tragisches Kapitel der jüngeren Geschichte, wobei die Brutalität und Menschenverachtung der „bewaffneten Zivilisten“, Gendarmen und Volkssturmmänner nicht zu überbieten waren.
(siehe Link: Der Todesmarsch der ungarischen Juden)
Ungefähr 2000 jüdische Flüchtlinge wurden nach Kriegsende vor allem im DP-Lager 231 untergebracht. Es gab ein eigenes Lager-Krankenhaus, eine Lager-Schule mit einem Lehrer, eine Lagerpolizei, Schneider- und Chauffeurkurse, und auch einen Rabbiner. Die Flüchtlinge gründeten wieder eine Israelitische Kultusgemeinde, die 1949 der Linzer Kultusgemeine einverleibt wurde. Die Einstellung der Bevölkerung zu den jüdischen „displaced persons“ war reserviert bis ablehnend, und von offizieller Stelle wurde die Befürchtung geäußert, dass die Bevölkerung zu bedauerlichen Selbstschutzmaßnahmen schreite.
Lebensschicksale einiger ehemaliger jüdischer Bewohner von Steyr und Umgebung zeigen das ganze Leid auf, das diesen Menschen unter Hitler zugefügt wurde, aber auch, wie wenig Unterstützung sie nach dem Krieg erfahren haben. Heinrich Skalla formuliert in einem Brief seine persönliche Not: „Ich war in Steyr viele Jahre Vorstand der Chewra-Kadischa, ich bitte Sie so sehr, helfen Sie mir, denn ich bin verzweifelt. Meine verheiratete Tochter haben mir die Nazis ermordet und alles geraubt. Bitte helfen Sie uns unglücklichen, verzweifelten Menschen.“
Anlässlich der Präsentation der 1. Auflage des Buches „Vergessene Spuren. Die Geschichte der Juden in Steyr“ von Waltraud Neuhauser-Pfeiffer und Karl Ramsmaier lud das „Komitee Mauthausen Aktiv Steyr“ ehemalige Steyrer Juden und Jüdinnen nach Steyr ein. Die Stadt Steyr wollte sich einer offiziellen Einladung ihrer ehemaligen Bürger nicht anschließen, trotzdem kam diese Einladung durch zahlreiche Spenden privater Personen und öffentliche Gelder zustande.
Quelle
Waltraud Neuhauser-Pfeiffer, Karl Ramsmaier, Vergessene Spuren. Die Geschichte der Juden in Steyr (Edition Geschichte der Heimat, 2. Auflage, Grünbach 1998)“
Der jüdische Friedhof
in Steyr
Im Jahre 1873 wurde der Bau des israelitischen Friedhofs beschlossen und eine Chewra Kadischa (Krankenpflege- und Beerdigungsverein) gegründet.
In einer Versammlung aller Mitglieder am 17. November 1873 wurde durch freiwillige Spenden das Geld aufgebracht und gleichzeitig eine Chewra Kadischa konstituiert. Als 1. Vorsteher wurde Isidor Weinwurm gewählt. 16 Namen scheinen als Gründungsmitglieder auf.
Im April 1874 wurde der Bau des Friedhofs in Angriff genommen. zum Bildmaterial #1 (Jüdischer Friedhof) Das Grabregister vermerkt die Gräber von 1874 bis 1899, während das Friedhofsregister 141 Gräber aus der Zeit von 1874 bzw. 1899 bis 1937 erfasst. Dazu kommen noch einige wenige Gräber aus späterer Zeit, die nicht mehr alle identifiziert werden können, da es darüber keine Aufzeichnungen gibt. Es handelt sich dabei vor allem um die Gräber der Bewohner/innen des jüdischen Flüchtlingslagers, das nach Kriegsende in Steyr bestand. Das letzte Grab gehört Friedrich und Elena Uprimny. zum Bildmaterial #2 (Uprimny Grab)
Auf dem Friedhofsgelände befindet sich auch ein Kinderfriedhof. Das Friedhofsregister weist von 1874-1924 51 Kindergräber aus, das letzte datiert vom 4. 11. 1924. Ein Grab ist das eines Erwachsenen, nämlich das von Moriz Zürner, einem Häftling der Frohnfeste in Steyr, der im St. Anna Spital im Juli 1892 im Alter von 26 Jahren verstorben ist.
Dieser Kinderfriedhof wurde leider im Zuge der Abrissarbeiten an der Zeremonienhalle in den sechziger Jahren zerstört und eingeebnet. Heute erinnert ein Gedenkstern an diesen Kinderfriedhof.
Weiters befindet sich auf dem Friedhof ein Massengrab mit über 100 ungarischen Juden und Jüdinnen, welche in den letzten Kriegstagen durch das Ennstal in Richtung KZ Mauthausen getrieben und auf diesem „Todesmarsch“ ermordet wurden. zum Bildmaterial #3 (Todesmarsch)
Gemäß jüdischer Tradition befindet sich ein Selbstmördergrab außerhalb des geschlossenen Gräberfeldes. Dabei handelt es sich um das Grab von Isidor Weinwurm, Gründungs- und Vorstandsmitglied der Chewra-Kadischa.
Am 9. November 1989 wurde an der Außenmauer des Friedhofs eine Gedenktafel vom Komitee Mauthausen gemeinsam mit der Stadt Steyr mit folgender Inschrift angebracht:
„Hier befindet sich der Friedhof unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Er erinnert an ihre jahrhundertelange Ansiedlung in Steyr bis zur Vertreibung und Ermordung in Konzentrationslagern durch das menschverachtende NS-Regime. Ein Massengrab von ungarischen Juden, die auf dem Weg nach Mauhausen 1945 ermordet wurden, mahnt uns, die unsagbare Leidensgeschichte der jüdischen Bevölkerung nie zu vergessen. 9. November 1989.“zum Bildmaterial #4 (Jüdischer Friedhof)
Der jüdische Friedhof wurde im Sommer 1990 von zwei internationalen Jugendsommerlagern renoviert, das Renovierungsprojekt im folgenden Jahr abgeschlossen.
Nach langwierigen Verhandlungen gelang es im Jahr 2002 die ehemalige Friedhofstiege nach dem letzten Juden Friedrich Uprimny umzubenennen und 2003 eine Stele zur Erinnerung an die Familie Uprimny, die jüdische Kultusgemeinde und den jüdischen Friedhof zu errichten. zum Bildmaterial #5, #6 (Stele und Uprimnystiege)
Quelle
Waltraud Neuhauser-Pfeiffer, Karl Ramsmaier: Vergessene Spuren. Die Geschichte der Juden in Steyr (Edition Geschichte der Heimat, 2. Auflage, Grünbach 1998)“
Sanierung des
Jüdischen Friedhofes
Renovierung durch ein internationales Jugendsommerlager 1990
„Die Mitarbeiter/innen von ‚Mauthausen Aktiv’ sind der Überzeugung, dass die Renovierung und Instandsetzung des jüdischen Friedhofes ein notwendiger und wichtiger Beitrag zur Erinnerung an die gewaltsam ausgelöschte jüdische Tradition und das Leiden der jüdischen Mitbürger/innen während der NS-Zeit ist. Darüber hinaus würde ein renovierter Friedhof ein würdiges Mahnmal für die Zukunft darstellen“,1 heißt es in einem Bericht.
Einladende Organisationen waren: Komitee Mauthausen Aktiv Steyr, Sozialistische Jugend Steyr, Katholische Jugend Land, Österreichische Gewerkschaftsjugend Steyr, Service Civil International, Verein Freiwillige Sommereinsätze.
Das Jugendlager fand von 16. bis 21. Juli 1990 und von 6. bis 18.August 1990 statt.
Es wurden die Wege vom Gras befreit, Grabsteine gesäubert, umgestürzte Grabsteine wieder aufgerichtet, Eisenteile an Gräbern entrostet und neu gestrichen, Sturmschäden an Bäumen behoben, die Bodenplatte der ehemaligen Aufbahrungshalle freigelegt, der Kinderfriedhof gekennzeichnet und bei fehlenden Grabsteinen ein Stein mit einem Davidstern angebracht.
Für die teilnehmenden Jugendlichen gab es auch ein Bildungs- und Freizeitprogramm. Der Besuch des KZ Mauthausen und Zeitzeugengespräche standen ebenso auf dem Programm wie Grillen und Baden.
Die Teilnehmer/innen kamen vor allem aus England, Deutschland, Russland, der Tschechoslowakei und Österreich. Finanziert wurde das Lager vom Land Oberösterreich, der Stadt Steyr, der Österreichischen Lagergemeinschaft Mauthausen, dem Bundesministerium für Inneres und dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung. Landesrat Dr. Josef Pühringer, damals Jugendreferent der oberösterreichischen Landesregierung, überzeugte sich bei einem Besuch vom Forschritt der Arbeiten Zwei Briefe zeugen vom freundschaftlichen Klima unter den Teilnehmer/innen:
„Wir erinnern uns oft ans Sommerlager bei euch. Es hat uns dort sehr gefallen. Dort sind einwandfreie Leute und viel Spaß gewesen. Wir hoffen, dass wir uns in den nächsten Sommerferien in Steyr wieder alle treffen.“2
Grüße aus der Tschechoslowakei, Martina und Peter
„I miss very much the camp and people. I start to learn German at night school soon and hope to work for longer in Austria and visit you and the other friends. Please, say hello to Mr. Uprimny for me and say I shall write him.”3
Alan aus Kent, England
Renovierung durch ein Arbeitslosenprojekt 1991
Ein Ausbildungs- und Beschäftigungsprojekt des Vereines für Arbeit, Beratung und Bildung (VABB) renovierte 1991 die Außenmauern und die Mauerabdeckung. Dadurch entstanden dem Komitee nur die Materialkosten.
„Mit Schwung holt das zierliche Mädchen eine Kelle grauen Zementverputz aus der Scheibtruhe. Klatschend landet die Masse an der abgeklopften Ziegelmauer. Ort der
Handlung: der jüdische Friedhof in Steyr“4, schrieb Heinz Steinbock in den Oberösterreichischen. Nachrichten.
An der Gedenktafel der Außenmauer des Friedhofes wurde die Schrift neu vergoldet. Nachdem die Schrift am Gedenkstein des Massengrabes – er erinnert an 100 Opfer des Todesmarsches der ungarischen Juden im April 1945 – kaum mehr leserlich war, wurden im Zuge der Renovierungsarbeiten neue Granitplatten mit demselben Text eingraviert und angebracht. Die Arbeiten gestalteten sich etwas schwierig, da ein Teil der Schrift in hebräischer Sprache abgefasst war. Für die korrekte Wiedergabe konnte Univ. Prof. Dr. Hubmann von der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz gewonnen werden. Damit war der Text in letzter Minute gerettet worden. Am 8. November 1991 fand die feierliche Enthüllung statt.
Sanierung von zwei Grabsteinen 1995
1995 mussten zwei Grabsteine, die umgefallen waren, saniert werden. Die Kosten in der Höhe von 8.280.- Schilling übernahm die Stadt Steyr.
Sanierung der Wege im Jüdischen Friedhof 2002
Da alle Wege im Friedhof schon sehr zugewachsen waren, sanierte die Stadt Steyr im Jahr 2002 alle Wege des Friedhofes in einem Kostenumfang von € 3.500.- Damit war der Friedhof für Besucher wieder gut begehbar.
Sanierung eines Grabsteines 2003
Aus Denkmalschutzgründen und um die Sicherheit der Besucher zu gewährleisten, musste 2003 ein Grabstein mit einem neuen Fundament versehen und wieder aufgestellt werden. Die Kosten von nahezu € 1000.- übernahm das Land Oberösterreich.
Sanierung von 20 Grabsteinen 2008
Nachdem in den letzten Jahren einige Grabsteine umgefallen und andere in eine bedenkliche Schieflage geraten waren, musste aus Gründen des Denkmalschutzes und um die Sicherheit der Besucher zu gewährleisten, möglichst rasch ein umfassendes Sanierungsprojekt entwickelt werden. Im Jahr 2007 fand daher eine Begehung des Friedhofes mit einem Steinmetz statt, um die dringlichsten Sanierungsmaßnahmen festzustellen. Der Steinmetz erstellte dann einen Kostenvoranschlag für 20 dringend sanierungsbedürftige Grabsteine in der Höhe von € 12.732. Finanziert wurde die Sanierung vom Land Oberösterreich, dem Bundesdenkmalamt, der Stadt Steyr und einigen privaten Sponsoren. Durchgeführt wurden die Arbeiten im Sommer 2008. Bei den Arbeiten stellte sich heraus, dass in den nächsten Jahren noch weitere Sanierungsmaßnahmen an den Grabsteinen nötig sind.
Denkmal mit den Namen der Steyrer Shoah-Opfer 2008
Schon 1998 wurde bei der 10-Jahresfeier des Mauthausen Komitees Steyr die Errichtung einer Gedenktafel mit den Namen aller Steyrer Shoah-Opfer als Ziel genannt. Auch der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Linz DI George Wozasek befürwortete immer wieder diesen Plan. Im Mai 2006 wurde diese Idee erneut aufgegriffen und 2007 von Erich Aufreiter ein erster Entwurf und ein Kostenvoranschlag erarbeitet. Gleichzeitig wurden die Namen der Opfer recherchiert, die im Gebiet der ehemaligen Israelitischen Kultusgemeinde Steyr geboren wurden oder dort gewohnt haben. Dazu zählen die Stadt Steyr, der Bezirk Steyr-Land und der Bezirk Kirchdorf.
Auf einer Gedenktafel aus Glas wurden die Namen mit Geburtsjahr, Deportationsjahr bzw. Todesjahr und der Ort der Deportation bzw. Todesort vermerkt.
Direkt vor der Glasplatte ermöglicht ein Steintisch den Teilnehmern der jährlichen Gedenkfeier, Steine des Gedenkens und der Erinnerung niederzulegen. Finanziert wurde die Gedenktafel vom Nationalfonds der Republik Österreich und der Stadt Steyr. Die Enthüllung findet am 6. November 2008 statt.
Katalogisierung der Grabstätten 2009
2009 wurde eine Katalogisierung der Grabstätten des jüdischen Friedhofs vorgenommen. Es wurden alle Grabstätten überprüft, fotografiert und in verschiedene Kategorien eingeteilt. Diese Katalogisierung ist die Grundlage für alle Restaurierungen. Die Liste der Grabstellen wird laufend aktualisiert.
Sanierung 2010
Im Sommer 2010 wurden fünf Grabsteine mit einem Kostenaufwand von € 4.680.- saniert. Finanziert wurde die Sanierung von der Stadt Steyr, dem Land OÖ. und dem Bundesdenkmalamt.
Sanierung 2011
Im Sommer 2011 konnten sechs Grabstätten mit einem Kostenaufwand von € 4.704.- saniert werden. Finanziert wurde die Sanierung von der Stadt Steyr, dem Land OÖ. und dem Bundesdenkmalamt.
Sanierung 2012
Im Sommer 2012 wurden vier Grabstätten mit einem Kostenaufwand von € 4.422.- saniert. Finanziert wurde die Sanierung von der Stadt Steyr, dem Land OÖ. und dem Bundesdenkmalamt.
Sanierung 2013
Im Sommer 2013 wurden sieben Grabstätten mit einem Kostenaufwand von € 4.082,40 saniert. Finanziert wurde die Sanierung von der Stadt Steyr, dem Land OÖ. und dem Bundesdenkmalamt.
Sanierung 2014
Im Sommer 2014 wurden acht Grabstätten mit einem Kostenaufwand von € 2.400,- saniert. Finanziert wurde die Sanierung von der Stadt Steyr, dem Land OÖ. und dem Bundesdenkmalamt.
Sanierung 2015
Im Sommer 2015 wurde mit einem Kostenaufwand von € 300.- bei zwei Gedenktafeln die Schrift erneuert. Finanziert wurde die Sanierung von der Stadt Steyr.
Sanierung 2016
Im Sommer 2016 wurden neuerlich vier Grabstätten mit einem Kostenaufwand von € 2.100.- saniert. Finanziert wurde die Sanierung von der Stadt Steyr, dem Land OÖ. und dem Bundesdenkmalamt.
Sanierung 2017
2017 wurden von der Lehrwerkstätte der Fa. MAN Bus & Trucks 36 neue Davidsterne für Gräber ohne Grabsteine angefertigt, beschriftet und montiert. Um mögliche Schäden bei einem Umsturz der für den kleinen Friedhof viel zu großen Fichte zu verhindern, wurde diese entfernt. Der Wurzelstock wurde abgeflacht, das Grab des Verstorbenen „Freund“ (Nr.116 – Reihe 8) mit Erde versehen und der dazugehörige Grabstein neu gesetzt.
Sanierung 2019
2019 wurden sechs weitere Grabstätten mit einem Kostenaufwand von € 4.500.- saniert.
Finanziert wurde die Sanierung von der Stadt Steyr, dem Land O.Ö. und dem Bundesdenkmalamt.
1 Bericht über das Sommerlager 1990, in: Akt „Sommerlager 1990“, Archiv Mauthausen Komitee Steyr
2 Brief von Martina und Peter, in: Akt „Sommerlager 1990“, Archiv Mauthausen Komitee Steyr
3 Brief von Alan, in: Akt „Sommerlager 1990“, Archiv Mauthausen Komitee Steyr
4 Heinz Steinbock, „Wir raufen ständig, dass es weitergeht“, in: OÖ. Nachrichten- extra XII, 06.06.1991
Auf den Spuren der Steyrer Juden: Neue Broschüre über den Friedhof am Tabor
STEYR. Seit dem Jahr 1992 kümmert sich das Mauthausen Komitee um den Friedhof.
Karl Ramsmaier mit der Infobroschüre über den am 4. Mai 1874 eingeweihten jüdischen Friedhof in Steyr, der vom Mauthausen Komitee Steyr betreut und vor dem Verfall bewahrt wird.
„Diesen jüdischen Friedhof in Steyr vor dem Verfall zu bewahren, ist eine Form des Widerstandes gegen die Gräueltaten der Nazis“, sagt Karl Ramsmaier, Vorsitzender des Mauthausen Komitees Steyr: „Es darf ihnen nicht gelingen, die jüdischen Mitbürger, die ein wesentlicher Teil unserer Stadt waren, aus unserem Gedächtnis zu löschen.“ Ende des 19. Jahrhunderts war Steyr die Heimat für rund 200 Juden. Großteils waren sie Kaufleute, Handwerker und Intellektuelle, und gut integriert in der Stadt. Doch schon wenige Wochen nach dem „Anschluss“ Österreichs an Hitler-Deutschland änderte sich die Situation für sie schlagartig, wurden erste Personen- und Vermögenslisten angelegt, und bald auch die ersten Steyrer Juden verhaftet. Am 1. Oktober 1938 wurde von der Gestapo schließlich die Israelitische Kultusgemeinde Steyr aufgelöst.
Die Erinnerungen an das jüdische Steyr wurden jedoch nicht gänzlich getilgt. Die ehemalige Synagoge in der Pachergasse ist das einzige Synagogengebäude Oberösterreichs, das die Nazi-Herrschaft überdauert hat. Und auch der jüdische Friedhof am Tabor, der heute der israelitischen Kultusgemeinde gehört und der auch den Gedenkstein an die 86 Holocaust-Opfer der Stadt beherbergt, ist ein Relikt in Steyr. Am 9. November 1989 enthüllte der damalige Bürgermeister Heinrich Schwarz eine Gedenktafel an der Außenmauer des Jüdischen Friedhofes, der vom Wieserfeldplatz aus über die Uprimny-Stiege erreichbar ist. Seit 1992 kümmert sich das Mauthausen Komitee Steyr um die Pflege der 144 Grabsteine.
„Wir sanieren jedes Jahr einige dieser Grabsteine, um sie für die Nachwelt zu erhalten und auch, damit die Sicherheit gewährleistet ist“, sagt Ramsmaier: „Unser Ziel ist es, dass der Friedhof während der Landesausstellung 2021 zugänglich ist, als letzte Erinnerung an das jüdische Bürgertum in Steyr.“
Kürzlich wurde vom Mauthausen Komitee nun auch eine Broschüre mit vielen Fotos und zahlreichen Infos über den jüdischen Friedhofs Steyr herausgegeben: „Wir wurden bei unseren Führungen immer wieder gefragt, ob es nicht eine kompakte Information dazu gibt“, sagt Ramsmaier. Die Broschüre ist um 5 Euro im Museum Arbeitswelt, im Tourismusbüro im Steyrer Rathaus und in der Buchhandlung Ennsthaler erhältlich.
Vorurteile gegenüber Juden seien aber nach wie vor in der Gesellschaft verankert, weiß Ramsmaier: „Wir sehen aber, dass Jugendliche ein völlig anderes Bewusstsein für die Geschichte der Stadt erhalten, wenn sie von den Schicksalen der verfolgten Menschen aus ihrer Stadt erfahren.“
Führungen auf den Spuren der Steyrer Juden werden nach Vereinbarung mit dem Mauthausen Komitee Steyr oder dem Museum Arbeitswelt angeboten. Am 7. November 2019 findet am Jüdischen Friedhof die 30. Gedenkfeier statt.
Quelle
OÖN – Steyrer Zeitung, 4.4.2019
Jüdische Gedenkstätten
in Steyr
Die jüdische Bevölkerung in der Eisenstadt Steyr war immer klein. In den Steyrer Ratsprotokollen wurden einzelne Juden Mitte des 18. Jahrhunderts erwähnt.[1] Im 19. Jahrhundert zogen vor allem Juden aus Böhmen und Mähren nach Steyr. 1855 gab es sieben Familien, 1857 lebten laut Volkszählung 50 Personen in 16 Familien in Steyr. 1890 betrug ihre Gesamtzahl 174 in 40 Familien. Um 1900 war mit 200 ihre höchste Zahl erreicht. Im 20. Jahrhundert dürften ihre Zahl zwischen 70 und 100 betragen haben bis sie von den Nationalsozialisten vertrieben und ermordet wurden.
1870 wurde ein israelitischer Kultusverein gegründet, 1873 der jüdische Friedhof angelegt. 1892 konstituierte sich die Israelitische Kultusgemeinde Steyr und baute 1894 ein Restaurant in der Bahnhofstraße in eine Synagoge um. Heinrich Schön war von 1896 bis 1926 Rabbiner in Steyr. Sein Nachfolger bis 1938 war Chaim Nürnberger. Die Synagoge wurde 1938 wie viele Geschäfte und Häuser arisiert. Schon im Juli 1938 wurden Steyrer Juden verhaftet, aber auch um den 9. November 1938. Im KZ Steyr-Münichholz gab es Juden und auch im Steyrer Krematorium wurden Juden verbrannt. Im April 1945 führte der Todesmarsch der ungarischen Juden auch durch Steyr.[2] Nach dem Krieg wurde die Israelitische Kultusgemeinde von Flüchtlingen wieder gegründet, existierte aber nur mehr wenige Jahre. Von den Steyrer Juden kehrten nur einzelne wie Friedrich Uprimny zurück, viele von ihnen wurden in Konzentrationslagern ermordet. 1993 lud das 1988 gegründete Mauthausen Komitee Steyr ehemalige Steyrer Juden ein, ihre Heimatstadt zu besuchen. Anlass war die Präsentation des Buches „Vergessene Spuren. Die Geschichte der Juden in Steyr.“ Seither kommt es immer wieder zu Besuchen jüdischer Familien in Steyr. Um das Schicksal der Steyrer Juden nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, wurde nicht nur das Buch „Vergessene Spuren“ 1998 neu herausgebracht, sondern auch eine Reihe von Gedenkstätten errichtet.
Gedenktafel an der Außenmauer
Des Jüdischen Friedhofes
Am 9. November 1989 enthüllte der Steyrer Bürgermeister Heinrich Schwarz eine Gedenktafel an der Außenmauer des Jüdischen Friedhofes in Steyr. Es handelte sich um das erste öffentliche Erinnerungszeichen an die jüdische Bevölkerung von Steyr. Darauf ist zu lesen:
„Hier befindet sich der Friedhof unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Er erinnert an ihre jahrhundertelange Ansiedlung in Steyr bis zur Vertreibung und Ermordung in Konzentrationslagern durch das menschenverachtende NS-Regime. Ein Massengrab von ungarischen Juden, die auf dem Weg nach Mauthausen 1945 ermordet wurden, mahnt uns, die unsagbare Leidensgeschichte der jüdischen Bevölkerung nie zu vergessen.“
In der Grußbotschaft des Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Linz DI George Wozasek hieß es:
„Diese Gedenktafel ist aus zwei wesentlichen Gesichtspunkten wichtig. Einmal sollen die ungeheuerlichen Gräueltaten der nationalsozialistischen Diktatur nicht in Vergessenheit geraten. […] Die Tafel soll als Mahnmal für die kommende Generation dienen. […] Vielleicht unmittelbar noch wichtiger ist die Tatsache, dass diese Aktion von nichtjüdischen jungen Mitbürgern durchgeführt wurde, die viel Idealismus zeigten und ihre Freizeit opferten, um die vorerwähnten Ziele umzusetzen.“[3]
Der Text wurde vom Mauthausen Komitee Steyr in Absprache mit der Israelitischen Kultusgemeinde Linz erstellt. Finanziert wurde die Gedenktafel von der Stadt Steyr obwohl sich das offizielle Steyr damit zunächst sehr schwer tat und der ganzen Sache eher reserviert bis ablehnend gegenüberstand. Wenige Tage nach der Enthüllung wurde die Tafel von jungen Neonazis mit einem Hakenkreuz beschmiert und die Friedhofsmauer mit „Heil Hitler“ beschrieben. In den Lokalzeitungen gab es viele Stellungnahmen dazu.
Erneuerung des Gedenksteines beim Massengrab – Jüdischer Friedhof
Im Zuge der Renovierungsarbeiten am Jüdischen Friedhof im Sommer 1991 wurde der Text des Gedenksteines beim Massengrab, das an den Todesmarsch der ungarischen Juden im April 1945 erinnert, auf neue Granitplatten graviert. Damit konnte die Lesbarkeit des Textes erhalten werden. Die Kosten in der Höhe von ÖS 26.000 wurden von der Israelitischen Kultusgemeinde Linz getragen. Die organisatorische Durchführung übernahm das Mauthausen Komitee Steyr. Enthüllt wurde der neue Gedenkstein bei der Gedenkfeier am 8. November 1991.
Gedenkstele vor der ehemaligen Synagoge
in der Pachergasse
Enthüllung der Gedenkstele bei der ehemaligen Synagoge (v.l.n.r. Waltraud Neuhauser, Karl Ramsmaier, Landtagsabgeordnete Gertrude Schreiberhuber, DI George Wozasek)DI George Wozasek, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Linz, und Landtagsabgeordnete Gertrude Schreiberhuber enthüllten am 8. November 1992 die Gedenkstele vor der ehemaligen Synagoge in der Pachergasse. Zu lesen ist darauf:
„In diesem Haus befand sich von 1894 bis 1938 die Synagoge unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Sie wurden von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gedemütigt und aus ihrer Heimat vertrieben, viele von ihnen in Konzentrationslagern ermordet.“
Am 9. Februar 1989 wurde erstmals die Forderung nach einer Gedenktafel vor der Hauptfassade der ehemaligen Synagoge in der Bahnhofstraße in Steyr an Vizebürgermeister Wippersberger herangetragen. Ein weiteres Gespräch mit ihm fand am 31. August 1989 statt. Es wurde das Ziel verfolgt, die Gedenktafel an der Außenmauer des Jüdischen Friedhofes und die Gedenktafel an der ehemaligen Synagoge am 9. November 1989 zu enthüllen. Dem Komitee wurden beide Gedenktafeln zugesagt. Der Besitzer der ehemaligen Synagoge, ein Ansfeldener Apotheker, lehnte den Text des Komitees als zu politisch ab. Er konnte sich nur folgende Aufschrift vorstellen: „In diesem Haus befand sich von 1894 bis 1938 die Synagoge unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger.“ Für das Komitee stellte dies jedoch eine Verschleierung von historischen Tatsachen dar. „Würden wir auf den zweiten Teil verzichten, so würde es sich nicht mehr um eine Gedenktafel handeln und wir würden dazu beitragen, dass dieses für unsere jüdischen Mitbürger so tragische Schicksal erneut verschleiert und verschwiegen wird“[4], hieß es in dem Brief an Vizebürgermeister Wippersberger vom Jänner 1990. Nachdem der Besitzer die Anbringung der Tafel ablehnte, gab es nur mehr die Möglichkeit, eine eigene Gedenkstele auf öffentlichem Grund direkt vor dem Gebäude aufzustellen. Mitte April 1990 wurde erneut ein Brief an Vizebürgermeister Hermann Leithenmayr gerichtet[5] und am 31. Mai 1990 ein Gespräch mit ihm geführt. Da es sich beim Platz vor der Hauptfassade der Synagoge in der Bahnhofstraße um Privatbesitz handelt, war dort eine Aufstellung nicht möglich. Das Komitee lieferte einen neuen Vorschlag: Die fertige Gedenktafel sollte auf einer Gedenkstele in der Pachergasse angebracht werden. Im Frühjahr 1991 kam es wieder zu einem Gespräch mit Vizebürgermeister Leithenmayr. Er gab erneut Architekt Scheuer, der auch für den Denkmalschutz in der Stadt Steyr zuständig war, den Auftrag die Gedenkstele bei der Synagoge ehestens zu realisieren. Ein Jahr verging und es wurde uns klar, dass Architekt Scheuer die Sache verzögern wollte. Im November 1991 forderte die grüne Gemeinderätin Eva Scheucher die unverzügliche Errichtung der Stele. Am 14. April 1992 fand ein weiteres Gespräch mit Vizebürgermeister Leithenmayr statt, bei dem als Termin für die Enthüllung der Gedenkstele der 8. November 1992 vereinbart wurde. Die Stadt Steyr finanzierte die Stele. Damit konnte ein dreijähriger Kampf um diese Gedenkstele erfolgreich abgeschlossen werden. Wieder einmal hatte sich gezeigt, dass Hartnäckigkeit für die Arbeit der Erinnerung unerlässlich ist.
Straßenbenennung nach dem letzten
Steyrer Juden Friedrich Uprimny
Straßenschild bei der Uprimny-StiegeIm November 1992 ersuchte das Mauthausen Komitee Steyr den Steyrer Bürgermeister Hermann Leithenmayr, eine Straße nach dem letzten Steyrer Juden Friedrich Uprimny zu benennen. Im Februar 1996 brachte das Komitee diesen Vorschlag beim Kulturamt der Stadt Steyr ein. Weitere zwei Jahre geschah nichts. Bei der Gemeinderatssitzung am 10. Dezember 1998 wurde dieses Anliegen dann in Form einer „Erinnerung“ erneut vorgebracht. Darin hieß es: „Der Gemeinderat der Stadt Steyr möge beschließen: Eine Straße bzw. den Platz vor dem Museum Industrielle Arbeitswelt nach Friedrich Uprimny zu benennen. … Friedrich Uprimny, geb. am 11. März 1921 in Steyr, gest. am 21. März 1992, symbolisiert als letzter Vertreter der jüdischen Bevölkerung die leidvolle Geschichte der Jüdinnen und Juden, die 1938 aus Steyr emigrieren mussten. Viele wurden grausam durch das NS-Regime ermordet. […] Er erzählte jungen Menschen von der Verfolgung der Juden aus seinem Leben und führte Schulklassen auf den jüdischen Friedhof. Friedrich Uprimny war bis zu seinem Tod bestrebt, Österreich, vor allem die Jugend, vor dem Wiedererstehen des Rassenwahns und des Faschismus zu warnen und mit all seinen Kräften zu schützen.“[6]
Gemeindrat Gerhard Klausberger berichtete dann im Gemeinderat über die Aktivitäten des Komitees als „sehr wichtigen Beitrag für die aufrechte Bewältigung der Fragen der Zeitgeschichte“[7] und ersuchte um würdevolle Behandlung und größtmögliche Einhelligkeit bei diesem Thema.
Die Grünen befürworteten ebenso wie das Komitee den Platz vor dem Museum Arbeitswelt. Inzwischen brachte die FPÖ den Vorschlag ein, die Verbindungsstraße Schuhmannstraße–Haagerstraße in Münichholz nach Friedrich Uprimny zu benennen. In der Nähe sei auch das KZ-Denkmal und daher sei dies der passende Ort. Die Fraktionsobmänner außer den Grünen einigten sich auf diesen Vorschlag. Das Komitee beharrte zunächst auf den Platz vor dem Museum Arbeitswelt, weil von hier aus viele Führungen auf den Jüdischen Friedhof ausgingen und weil der Platz im Stadtzentrum und nicht am Stadtrand liegt. Bürgermeister Hermann Leithenmayr lehnte dies aber ab und legte seine Position dar: Wenn der Vorschlag in Münichholz nicht akzeptiert würde, gäbe es eben keine Straßenbenennung nach Uprimny.[8]
Im Juni 1999 fasste das Komitee in einem Brief an alle Stadt- und Gemeinderäte der Stadt Steyr nochmals die Argumente gegen die Straßenbenennung in Münichholz zusammen. Darin wird angeführt, dass Friedrich Uprimny weder im KZ Steyr-Münichholz noch in einem anderen KZ war und dass ihm ein würdiger Platz im Stadtzentrum gebühre. Es wurde auch eine Unterschriften-Aktion für einen ‚Uprimnyplatz’ gestartet.[9] Im Juli 1999 brachten die Grünen das Thema nochmals in den Gemeinderat. Der Gemeinderat der Grünen, Kurt Apfelthaler, bezeichnete den Standort Museum Arbeitswelt als „ideal“ und begründete diese Entscheidung:
„Das Museum engagiert sich seit seiner Gründung für die Sichtbarmachung der jüdischen Geschichte Steyrs und bietet neben der aktuellen Anne-Frank-Ausstellung in der Zeitwerkstatt auch pädagogische Workshops zu Uprimny und der Geschichte des Judentums in Steyr an. Außerdem setzt das Museum durch Veranstaltungen ständig Zeichen gegen den aufkommenden Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit. Der Museumsvorplatz als topographischer Nabel des neuen, jungen, engagierten Steyr ist prädestiniert für eine symbolische Platzbenennung. Der Museumsvorplatz zwischen der Altstadt, Wehrgraben und Steyrdorf – der vergangenen Heimat der Steyrer Juden – ist der ideale Platz für eine Benennung nach Friedrich Uprimny.“[10] Eine Entscheidung wurde bei der Sitzung aber nicht getroffen.
Nun brachte das Komitee als neuen Vorschlag die Umbenennung „Friedhofsstiege“ – (die Verbindung vom Wieserfeldplatz zum Taborweg) in „Friedrich Uprimny-Stiege“ ins Gespräch, was deshalb geeignet erschien, weil Friedrich Uprimny am Wieserfeldplatz wohnte und sich am Taborweg der Jüdische Friedhof befindet. Anfang des Jahres 2000 fand dieser Vorschlag die Zustimmung der Fraktionsobmänner der Parteien. Ein achtjähriges Bemühen des Komitees war endlich von Erfolg gekrönt.
Gedenkstele „Uprimny-Stiege“
FOL Ludwig Reisinger mit Schülern der HTL Steyr bei der Gedenkstele auf der Uprimny-StiegeIm November 2001 wurde das Konzept eines Themenweges auf der Uprimnystiege erstellt und im Dezember 2001 dem Magistrat übermittelt. An den Kehren der Stiege waren vier Stelen vorgesehen, um den Spaziergängern genauere Informationen über Friedrich Uprimny und die jüdische Geschichte von Steyr zu geben. Die Themen waren: Friedrich Uprimny – Die Juden in Steyr – Die Juden in Steyr in der NS-Zeit – Der Jüdische Friedhof in Steyr. Es stellte sich bald heraus, dass mit den zur Verfügung stehenden Geldmitteln vier Stelen nicht möglich waren. Die Sache schien sich nun wieder in die Länge zu ziehen. Man einigte sich schließlich auf eine Stele mit den ersten drei Themen. DI Hans Jörg Kaiser erstellte den Entwurf der Gedenkstele, Gemeindrat Kurt Apfelthaler organisierte die Umsetzung durch die Werkstätte der HTL Steyr/Abteilung Metalldesign unter Anleitung von FOL Ludwig Reisinger und Karl Ramsmaier verfasste den Text.
Am 7. November 2002 konnte die Gedenkstele im Anschluss an die Gedenkfeier auf dem Jüdischen Friedhof enthüllt werden.
Gedenkstele auf der Uprimny-Stiege
Gedenktafel an der Außenmauer des BRG Steyr
Gedenktafel an der Außenmauer des BRG SteyrIm September 2005 wurde dem Direktor des BRG Steyr, Mag. Harald Gebeshuber, vorgeschlagen, für die neun jüdischen Schüler, die Opfer des Holocaust wurden, eine Gedenktafel zu errichten. Mag. Angela Stockhammer übernahm das Projekt mit neun Schülern im Wahlpflichtfach ‚Geschichte’. Jeder Schüler, jede Schülerin recherchierte die Lebensgeschichte eines jüdischen Schülers oder einer jüdischen Schülerin. Die Ergebnisse wurden in einer Broschüre zusammengefasst. Josef Sommer, einer der jüdischen Schüler, besuchte 1904/05 in der damaligen Staats-Oberrealschule dieselbe Klasse wie Adolf Hitler. 1942 wurde er deportiert und ermordet. Am 8. November 2006 wurde in der Schule eine Gedenkveranstaltung organisiert. Direktor Mag. Harald Gebeshuber begrüßte neben Bürgermeister Ing. David Forstenlechner auch den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Linz. Die Gedenkrede hielt die Linzer Schriftstellerin Anna Mitgutsch. Die Schüler stellten die biografischen Daten der Opfer vor. Vor der Enthüllung der Gedenktafel an der Außenmauer des BRG Steyr durch Bürgermeister Forstenlechner sprach Präsident Wozasek das jüdische Totengebet ‚Kaddisch’.
Dass gerade an der Außenmauer dieser Schule für die neun jüdischen Schüler eine Gedenktafel angebracht wurde, hat eine große symbolische Bedeutung. Bisher gab es nur Gedenktafeln für die Soldaten im Eingangsbereich der Schule und für den Heimatdichter und Lehrer Gregor Goldbacher, der die Schule nach dem ‚Anschluss’ 1938 in ‚Adolf Hitler Schule’ umbenennen wollte und ein glühender Hitlerverehrer war. Hier war ein Zeichen für die Holocaust-Opfer höchst an der Zeit.
Anna Mitgutsch bei der Gedenkrede im BRG SteyrGedenkfeier im BRG SteyrEnthüllung der Gedenktafel an der Außenmauer des BRG Steyr
DI George Wozasek spricht das Kaddisch
Neue Gedenkstele vor der ehemaligen Synagoge
in der Pachergasse
Die neue Gedenkstele vor der ehemaligen SynagogeVon 1894 bis 1938 und wenige Jahre nach 1945 diente das Gebäude in der Bahnhofstraße 5, Ecke Pachergasse, als Synagoge. Als einzige in Oberösterreich hat sie die NS-Zeit überstanden, auch wenn sie nicht mehr als Synagoge Verwendung fand. 1992 wurde eine erste Gedenkstele errichtet, weil sich der Besitzer weigerte, eine Gedenktafel auf der Mauer des Hauses errichten zu lassen. Im Herbst 2005 kaufte die Raffeisenbank Region Steyr das Gebäude und begann im Frühjahr 2006 mit den Umbauarbeiten. Im Mai 2006 protestierte das Komitee gegen die Entfernung der Gedenkstele vor der ehemaligen Synagoge in der Pachergasse. Daraufhin wurde bei einem Lokalaugeschein mit der Bank mündlich vereinbart, die Gedenkstele in der Bahnhofstraße, beim Haupteingang des Gebäudes, neu aufzustellen. Nach einem kritischen Zeitungsartikel in den Oberösterreichischen Nachrichten im Juli 2006 sah sich die Bank nicht mehr an die Vereinbarung gebunden. Die Gedenkstele wurde erneut in der Pachergasse aufgestellt, dabei verschmutzt und beschädigt, sodass sie nicht mehr zu reparieren war. Nach einem langen Hin und Her wurde schließlich die neue Gedenkstele aus rostigem Stahl und Glas am 11. September 2007 von DI George Wozasek, dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Linz, Bürgermeister Ing. David Forstenlechner und Mag. Karl Ramsmaier, Vorsitzender des Mauthausen Komitees Steyr, enthüllt.
Karl Ramsmaier und Bürgermeister Forstenlechner vor der neuen Gedenkstele„Für das Mauthausen Komitee Steyr geht es hier nicht um eine Informationstafel, die über eine Sehenswürdigkeit informiert, sondern um eine Gedenkstele, die die Opfer der Shoah würdigt […] Dieses Gebäude, vor dem wir hier stehen, war ihr Gotteshaus und auch das Zentrum ihrer Identität als Minderheit in dieser Stadt. Hier wohnte auch ihr Rabbiner mit seiner Familie. Dreißig Jahre hindurch war das Heinrich Schön, dessen Enkelin heute achtzigjährig in Australien lebt […] Für das Mauthausen Komitee […] bleibt es weiterhin ein Traum, dass dieses Gebäude irgendwann einmal zu einem Kulturhaus mit einer Dauerausstellung über jüdisches Leben in Steyr wird. Diese Chance, eine solche Ausstellung in einem so symbolträchtigen Gebäude zu zeigen, hat keine andere Stadt in Oberösterreich“, meinte Karl Ramsmaier bei der Enthüllung. [11]
Denkmalschutz für die ehemalige Synagoge
Ehemalige Synagoge in SteyrIm August 2006 brachte das Mauthausen Komitee Steyr beim Bundesdenkmalamt den Antrag ein, die ehemalige Synagoge in Steyr unter Denkmalschutz zu stellen. Das Komitee übergab dem Bundesdenkmalamt auch alle nötigen historischen Hintergrundinformationen. Unterstützt wurde das Anliegen von vielen Organisationen und Privatpersonen, u.a. von der Israelitischen Kultusgemeinde Linz und Wien, dem Mauthausen Komitee Österreich, dem OÖ. Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus und dem Dekanat Steyr.
Die Steyrer Synagoge ist die einzige erhaltene Synagoge in Oberösterreich. Sie hat als Gebäude die NS-Herrschaft überdauert, da sie schon im September 1938 arisiert wurde. „Auch wenn der Bau nicht als Synagoge errichtet wurde, kommt ihm mit dieser Nutzung hoher Seltenheitswert und entsprechende geschichtliche und kulturelle Bedeutung zu. Konservierte Oberflächenbefunde im Inneren legen die Vermutung nahe, dass noch weitere Aufschlüsse über die Gestaltung eines jüdischen Betraums in der Zeit zwischen 1894 und 1938 möglich sind“, heißt es in der Stellungnahme des Bundesdenkmalamtes.[12] Mit Bescheid des Bundesdenkmalamtes von 7. Mai 2008 wurde die Steyrer Synagoge nun offiziell unter Denkmalschutz gestellt.
Am 1. Oktober 1938 wurde die Israelitischen Kultusgemeinde Steyr von den Nationalsozialisten aufgelöst. Am 70. Jahrestag der Zerstörung der Jüdischen Gemeinde von Steyr wurde mit der Unterschutzstellung der Synagoge ein wichtiges symbolisches Zeichen des Nichtvergessens gesetzt.
Holocaust-Denkmal mit den Namen der Steyrer Opfer
Neues Holocaust-Denkmal mit den Namen der Steyrer OpferSchon 1998 wurde bei der 10-Jahresfeier des Komitees die Errichtung einer Gedenktafel mit den Namen aller Steyrer Shoah-Opfer als Ziel genannt. Auch der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Linz DI George Wozasek befürwortete immer wieder diesen Plan. Im Mai 2006 wurde diese Idee erneut aufgegriffen und 2007 von Erich Aufreiter ein erster Entwurf und ein Kostenvoranschlag erarbeitet. Gleichzeitig wurden die Namen der Opfer recherchiert, die im Gebiet der ehemaligen Israelitischen Kultusgemeinde Steyr geboren wurden oder dort gewohnt haben. Dazu zählen die Stadt Steyr, der Bezirk Steyr-Land und der Bezirk Kirchdorf.
Auf einer Gedenktafel aus Glas wurden die Namen mit Geburtsjahr, Deportationsjahr bzw. Todesjahr und der Deportationsort bzw. Todesort vermerkt. 86 Namen sind hier zu finden.
Steine des Erinnerns bei der Gedenkfeier 2008Direkt vor der Glasplatte ermöglicht ein ‚Steintisch’ den Teilnehmern der jährlichen Gedenkfeier, Steine des Gedenkens und der Erinnerung niederzulegen. Dazu ist der ‚Steintisch’ selbst ein immerwährender ‚Stein des Erinnerns’. Der Stein aus Granit stammt aus einem Steinbruch in Gusen. Beim Transport brach der obere Teil des Steines ab. Das soll symbolisch zeigen, dass mit der Ermordung der Steyrer Juden ein wichtiger Teil dieser Stadt fehlt. Finanziert wurde die Gedenktafel vom Nationalfonds der Republik Österreich und der Stadt Steyr, die Projektorganisation lag beim Mauthausen Komitee Steyr. An der Enthüllung im Rahmen der Gedenkfeier am 6. November 2008 nahm auch eine Schülergruppe der MakifChet High School aus Rishon le Zion in Israel teil. Die Enthüllung nahmen Bürgermeister Ing. David Forstenlechner und Präsident DI George Wozasek vor.
Im Jahr 2008 wurde erstmals an der Kinder-Universität Steyr eine Exkursion „Die Juden in Steyr“ angeboten. Auch 2009 ist sie wieder im Programm der Kinder-Universität Steyr. Wie im Vorjahr wird auch 2009 am Tag des offenen Denkmals der Jüdischen Friedhof in Steyr und dabei auch das neue Holocaust-Denkmal zu besichtigen sein. Konzipiert wurde auch ein eigener Stadtrundgang „Auf den Spuren der Steyrer Juden“, bei dem auch alle Gedenkstätten besucht werden. Auch viele Schulkassen besuchen im Rahmen von Lehrausgängen die Gedenkstätten. Überhaupt ist in den letzten Jahren aufgrund der 20-jährigen Arbeit des Mauthausen Komitees Steyr ein vermehrtes Interesse an der jüdischen Geschichte von Steyr festzustellen. So sind die Gedenkstätten Orte der Bewusstseinsbildung und der lebendigen Erinnerung an die jüdische Bevölkerung von Steyr geworden.
Juli 2009
Mag. Karl Ramsmaier
[1] vgl. Waltraud Neuhauser-Pfeiffer / Karl Ramsmaier, Vergessene Spuren. Die Geschichte der Juden in Steyr, Grünbach 1998, 30-31; Mit ‚Ratsprotokollen’ sind die heutigen Gemeinderatsprotokolle gemeint.
[2] ebd. 205-225
[3] Steyrer Zeitung Nr. 46, 16.11.1989
[4] Brief an Vizebürgermeister Wippersberg, 23.01.1990, Archiv Mauthausen Komitee Steyr
[5] Brief an Vizebürgermeister Hermann Leithenmayr, 14. 04.1990, Archiv Mauthausen Komitee Steyr
[6] Gemeinderatsprotokoll, 10.12.1998
[7] Gemeinderatsprotokoll, 10.12.1998
[8] Gespräch mit Bürgermeister Hermann Leithenmayr, 19. 05.1999
[9] Oberösterreichische Nachrichten – extra, 16.06.1999
[10] Gemeinderatsprotokoll, 08.07.1999
[11] Karl Ramsmaier, Rede bei der Enthüllung der neuen Gedenkstele vor der ehemaligen Synagoge in Steyr am 11. September 2007, Archiv Mauthausen Komitee Steyr
[12] Stellungnahme des BDA, o.D. , 2008