Der Linzer Strafrechtler Alois Birklbauer hielt die Hauptrede bei der Befreiungsfeier in Steyr
Eine viel beachtete Rede hielt der Linzer Strafrechtler Alois Birklbauer bei der Befreiungsfeier am 6. Mai 2024 in Steyr. „Das System des Nationalsozialismus mit tausenden vollstreckten Todesurteilen ohne faire Gerichtsverfahren, mit Folter zur Geständniserlangung oder mit versklavender Zwangsarbeit in den Konzentrationslagern kann nicht einmal eine Spur von ‚Gerechtigkeit’ für sich beanspruchen“, so Birklbauer. Man müsse sich vergegenwärtigen, dass jedes Todesurteil einen Menschen mit einem konkreten Namen, einem konkreten Gesicht betraf. „Jeder Akt der Folter hat einem Menschen seine Würde genommen.“ Er wies darauf hin, dass aktuellen Forderungen, Österreich solle aus der Europäischen Menschenrechtskonvention austreten, dringend Einhalt geboten werden müsse. „Wehren wir solchen Anfängen, indem wir im Gedenken an die Befreiung vom Regime des Nationalsozialismus allen Bestrebungen, die eine Aufweichung der Menschenrechte zum Ziel haben, entgegentreten“.
Der Präsident der französischen Lagergemeinschaft „Amicale de Mauthausen“ Claude Simon sprach von einer „Herrschaft der Willkür“, in der die KZ-Häftlinge überhaupt keine Rechte hatten. Er machte auch darauf aufmerksam, dass die Häftlinge, die überlebt hatten, über die Täter-Prozesse nach dem Krieg sehr enttäuscht waren, weil ihre Stimmen kaum gehört wurden. Die Vizepräsidentin des Internationalen Mauthausen Komitees Concha Diaz Berzosa aus Spanien bedauerte die Zunahme von populistischen, nationalistischen und rechtsextremen Bewegungen und Parteien, die kontinuierlich daran arbeiten die Demokratie auszuhöhlen mit dem Ziel sie zu zerstören.“
Der Steyrer Bürgermeister Markus Vogl meinte in seiner Begrüßung, dass im Nationalsozialismus die Rechtssysteme zu Werkzeugen der Unterdrückung und der Verfolgung wurden. „Vergessen wir niemals dieses traurige Kapitel in der Geschichte der Menschheit und erinnern wir uns stets daran, wie wichtig es ist, die Unabhängigkeit der Justiz und die Rechtsstaatlichkeit zu schützen!“ Der Vorsitzende des Mauthausen Komitees Steyr Karl Ramsmaier sprach davon, dass 79 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus die Demokratie bedrohter ist denn je. „Der Rechtsextremismus ist heute die größte Gefahr für die Demokratie“, sagte er. Die Demokratie und die Menschenrechte zu verteidigen müsse daher vorrangiges Ziel sein. Die Menschenrechte seien „das Gegenmodell zu den Verbrechen der Nationalsozialisten.“
Vorgestellt wurden auch drei kurze Biografien, einer Zwangsarbeiterin und von zwei KZ-Häftlingen. Leokadia Stanislwaska aus Polen war als junge Frau Zwangsarbeiterin in Steyr, Julien Reminiac musste als französischer KZ-Häftling im März 1944 in Steyr Bombenschutt wegräumen und Jaroslav Pek aus Tschechien war von 1942 bis 1944 im Außenlager Münichholz interniert.
Eine besondere Note erhielt die Feier durch die Aufführung der Mauthausen Kantate durch die Musikgruppe „I Fisakkordeonisti“. Die Mauthausen-Kantate besteht aus vier Liedern des griechischen Komponisten Mikis Theodorakis mit Texten des griechischen Dichters Iakovos Kambanellis, eines Überlebenden des Konzentrationslagers Mauthausen. Die Lieder erzählen von seinen eigenen Erfahrungen in Mauthausen und seiner Liebe zu einer litauisch-jüdischen Frau inmitten der Gräuel des Lagers.
Am Ende der Feier wurden von den verschiedenen Organisationen beim KZ-Denkmal zum Gedenken an die ermordeten Häftlinge Kränze und Blumen niedergelegt. 22 Organisationen waren Mitveranstalter der Befreiungsfeier. „Durch die Teilnahme der Gäste aus Frankreich und Spanien war die Feier sehr international“, sagt Mauthausen-Komitee-Vorsitzender Karl Ramsmaier.