„Endlich ein Ort wo wir für unseren Großvater beten können“
Nach mehr als 70 Jahren finden Angehörige die Gräber ihrer Vorfahren
2011 konnten fast vergessene Schicksale wieder in Erinnerung gerufen werden. Unter einem Gehweg am Taborfriedhof wurde damals eine Gruft mit ca. 800 Urnen von ehemaligen KZ Häftlingen wieder entdeckt. Nach acht Jahren des Planens, des Diskutierens was mit dem Ort und den Urnen geschehen soll, war es am Freitag den 14. Juni so weit. Unter der persönlichen Teilnahme von Angehörigen der Opfer wurde ein Denkmal an der Stelle der Urnengruft enthüllt.
„Nicht weit von hier muss die Asche des Wiktor Ormicky sein, das fühlen wir.“ spricht Jacek Ormicky bei seiner Rede zur Denkmalenthüllung. Sein Vater starb im KZ Gusen und seine Urne wurde, wie einem Dokument zu entnehmen ist auf den Friedhof Steyr transportiert. Jacek Ormicky war der Stein des Anstoßes, ohne seine Recherchen zur Geschichte seines Vaters wäre die Urnengruft am Taborfriedhof vermutlich noch immer unbekannt. Familie Ormicky wandte sich mit einer E-Mail im Herbst 2010 an Karl Ramsmaier, den Vorsitzenden des Mauthausen Komitee Steyrs und so begann der Prozess, der im März 2011 am Steyrer Urnenfriedhof zum Wiederauffinden der gemauerten Gruft führte.
Auch der Weg der polnischen Familie Hardt nach Steyr ist von Zufall geprägt. Bei einer Führung im KZ Mauthausen wurde die Familie Hardt von einem aufmerksamen Guide darauf hingewiesen, dass die früh im KZ Mauthausen ermordeten Häftlinge im Krematorium in Steyr eingeäschert worden waren. Durch diesen Hinweis konnten sie im Jahr 2018 das erste Mal den Ort besichtigen an dem ihr Großvater begraben liegt. Der Schock war groß, es gab keinen Grabmal, sondern nur drei Steinplatten am Gehweg, provisorisch abgesperrt, ansonsten als Grab nicht erkennbar.
„Wir sind sehr froh, dass wir jetzt endlich einen Ort haben an dem wir für unseren Großvater beten können“ sagt Piotr Hardt, der Nachfahre von Albert Hardt. Albert Hardt war am 1. September 1939, dem Tag des Überfalls der Wehrmacht auf Polen verhaftet worden und starb am 24. April 1940 im KZ Mauthausen. Fünf Tage später wurde die Leiche in Steyr eingeäschert.
„Mach dir keine Sorgen, ich komme eh bald wieder.“
Die fünfköpfige Familie Hardt verbrachte mehrere Tage in Steyr. Ebenso angereist waren Gabriela Kautsch und Karin Hannak aus Baden bei Wien. Eine Internetrecherche hatte sie auf ein Projekt aufmerksam gemacht, welches das Museum Arbeitswelt 2015 mit Jugendlichen aus Deutschland und Österreich zum Urnenfund durchgeführt hatte. Über die Projekthomepage erfuhr Frau Hannak 2017, dass die Leiche ihres Großvaters in Steyr verbrannt worden war und die Asche hier wahrscheinlich begraben liegt.
Nach einem Besuch des lokalen Gedenkort „Stollen der Erinnerung“ tauschten sich Familie Hannak, Kautsch und Hardt im Museum Arbeitswelt aus. Dabei wurden neue Bekanntschaften geschlossen, historische Dokumente gezeigt und vor allem ein Rahmen gegeben, um die Geschichten der Verstorbenen zu erzählen. „Er gab ihm einen Teddybär und sagte: ‚Mach dir keine Sorgen ich komme eh bald wieder’“ erinnert sich Frau Hannak an eine Erzählung ihres Vaters, der diesen Satz als Fünfjähriger von seinem Vater hörte. „Dieser Teddybär steht heute noch auf dem Nachtkästchen meiner Mutter.“ Josef Kautsch wurde bereits 1938 als politischer Gegner der Nationalsozialisten inhaftiert und starb im Alter von 41 Jahren, nur sieben Monate nach seiner Verhaftung. Er gehört zu den ersten Opfern des KZ Mauthausen. Verhaftet wurde Josef Kautsch, weil er öffentlich sagte, dass er und seine Kinder das Hakenkreuz nicht tragen werden, woraufhin er denunziert wurde.
„Es soll durchaus auch ein wenig stören“
„Es ist ein schöner Tag für das Mauthausen Komitee Steyr.“ Mit diesen Worten eröffnet Mag. Karl Ramsmaier, der Vorsitzende des Komitees die Enthüllungsfeier. Trotz Jahren des Auf und Ab und einiger Rückschläge blieb der Verein standhaft und forderte gemeinsam mit Angehörigen unnachgiebig einen würdigen Umgang mit den Urnen. Der Auftrag für die Umsetzung des Denkmals ging an den Architekten Bernhard Denkinger, der bereits den Stollen der Erinnerung in Steyr gestaltete. „Es soll auffallen, es soll sich abheben von den anderen Gräbern, ja durchaus auch ein wenig stören.“ Erklärt Denkinger seine Intentionen bei der Denkmalgestaltung. Auf dem Denkmal sind neben dem Artikel 3 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, „Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person“. Von den ca. 800 Urnen waren auf 84 noch die Namen lesbar. Ein Name davon lautet Emil Baum: „Wenn ich zurückdenke, wurde in unserer Familie über Emil Baum geschwiegen.“ erinnert sich Daniel Engel. Hochemotional kann Daniel Engel nach jahrelanger Recherche heute neben dem Grab seines Urgroßvaters stehen und seine Geschichte erzählen, damit er nicht vergessen wird. Als sogenannter „Asozialer“ wurde Emil Baum 1939 in das KZ Mauthausen überstellt. Von dort aus schrieb er seiner kleinen Familie immer wieder, wie sehr er sie vermisse und dass er hoffe bald wieder nach Hause zu kommen. Im Jahr 1940 aber verstarb Emil Baum im Alter von nur 36 Jahren im KZ Mauthausen und wurde nach Steyr gebracht, um im Krematorium eingeäschert zu werden. „Die Leichentransporte waren in der Nacht, aber wenn aus dem Krematorium schwarzer Rauch kam, wussten alle was geschieht.“ gibt Karl Ramsmaier, Erzählungen von Zeitzeugen aus Steyr wieder.
„Ich freue mich, dass mein Urgroßvater Emil Baum hier in Steyr eine würdige, letzte Ruhestätte findet“, resümierte Daniel Engel und sprach damit den anderen Familien und auch allen die sich für eine würdige Gestaltung des Grabes eingesetzt haben aus tiefstem Herzen.
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